Seit ich als Ordnungscoach und Einrichtungsberaterin arbeite, begegne ich immer wieder denselben Missverständnissen und Vorurteilen gegenüber dem Teil meiner Arbeit, der sich mit Ordnung befasst. Deshalb ist es Zeit, diese Missverständnissen aus dem Weg zu räumen.
Das ist ein neuer Trend
"Ach, das ist wieder so ein Trend, den alle mitmachen müssen." Das höre ich oft. Ich glaube aber nicht, dass es eine oberflächliche Modeerscheinung ist, sondern der Spiegel eines anderen Trends, der Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen hat: des Massenkonsums. Dass sich Menschen mit den Folgen unseres Konsums auseinandersetzen, ist auch nicht neu. Das Buch "Gegen das Gerümpel des Alltags" von Karen Kingston war schon 1998 ein Bestseller.
Mittlerweile hat unser Konsum aber ein nie dagewesenes Ausmass erreicht. Wir leben in einer Zeit, in der alles, mit einem Mausklick und zum Teil haarsträubend billig erhältlich ist. Die Folgen davon spüren wir in unseren Wohnungen und Häusern (und darüber hinaus, auch weltweit). Sie sind voll und der Strom an neuem Zeug will und will nicht abreissen. Spätestens sobald Kinder da sind, spüren wir fast alle die erdrückenden Folgen des Überflusses.
Als Ordnungscoach helfe ich nicht nur dabei, wieder Übersicht zu gewinnen und dich von Ballast zu befreien, sondern auch, deine Prioritäten neu zu setzen und dein Konsumverhalten zu überdenken. Weil ich überzeugt bin, dass es in unseren Leben um etwas anderes geht als um materiellen Besitz. Meine Hoffnung ist, dass es irgendwann keine Coaches mehr braucht, die beim Ausmisten und Organisieren helfen. Weil wir alle achtsamer, bewusster und weniger konsumieren und dafür mehr Zeit haben für alles, was wirklich zählt im Leben.
Jetzt sollen wir alle Minimalist*innen werden
"Dann sollen wir jetzt also alle minimalistisch leben?" Nein, darum geht nicht. Wenn du dich entscheidest, zu reduzieren und zu organisieren, heisst das nicht, dass du minimalistisch leben musst. Es gibt keine geheime – auch keine offizielle – Zahl, die besagt, wie viele Dinge du besitzen solltest. Wir haben alle einen andern Wohlfühlbereich. Darum geht es: deinen eigenen Wohlfühlbereich finden und zu schauen, wie sich die Wohlfühlbereiche aller Mitbewohner*innen miteinander vereinbaren lassen. Wir müssen nicht alle Minimalist*innen werden, wenn das nicht unserem Wesen entspricht. Und ein professioneller Ordnungscoach wird dich auch nie dazu drängen, Dinge wegzugeben, die dir wichtig sind und die dir Freude bereiten. Aber er wird dir vielleicht ein paar unbequeme Fragen dazu stellen, weshalb du an bestimmten Dingen so hängst ;). Und er wird bestimmt dein Bewusstsein dafür schärfen, was du wirklich brauchst, um zufrieden zu sein.
Wir sollen wie im Wohnmagazin leben
Auf Instagram könnte man manchmal den Eindruck gewinnen, dass es hauptsächlich darum geht, Acrylboxen akkurat aufeinander zu stapeln und einheitlich zu beschriften. Das Aussehen scheint wichtiger als der Inhalt. Wenn es beim Organisieren nur darum gehen würde, Plastikboxen zu stapeln, die Bücher nach Farben zu sortieren und die Unterhosen wie Marie Kondo zu falten, dann hätten wir das Ziel verfehlt. Es geht nicht darum, dass andere dein Zuhause bewundern und du Fotos deines Kleiderschranks auf Instagram posten kannst. Nicht, dass ich dich davon abhalten will, wenn es dir Freude macht. Wenn ja: do it unbedingt! Aber wir sollten uns von dem Wahn lösen, perfekt zu wohnen und ein Vorzeigezuhause zu haben. Konzentrieren wir uns doch viel mehr darauf, einen Raum zu schaffen, indem wir uns wohl fühlen und der unseren Bedürfnissen entspricht. Es ist wie mit unserem Körper. Wenn wir uns wohl darin fühlen, weil wir ihn pflegen und nett zu ihm sind, dann fühlen wir uns schön. Wenn wir uns nur danach richten, was andere von uns denken, werden wir uns nie genügen und auch nie zufrieden sein. Du sollst dich deinem Zuhause wohl fühlen. That's all.
Der perfekte Haushalt
In allen Familien, die ich kenne, gibt es eine Person, die sich etwas mehr dafür verantwortlich fühlt, dass das Zuhause und der Alltag funktioniert. Oft ist das die Frau (oder beide Frauen). Viel von uns Frauen sind immer noch tief von der Vorstellung geprägt, dass unser Wert unter anderem daraus besteht, wie gut wir den Haushalt managen. Das hat historische Gründe. Früher war der perfekte Haushalt für die meisten Frauen der einzige Weg, zu "brillieren". Diese Zeiten sind zum Glück endgültig vorbei.
Für mich ist das ganz wichtig: wenn du in dein Zuhause Ordnung bringen willst, mache es, damit dein Leben leichter wird und nicht, damit du eine noch bessere Hausfrau bist. Es ist kein Wettbewerb. Und da sind wir schon beim letzten Punkt.
Selbstoptimierung
Schöner, erfolgreicher, effizienter. «Jetzt soll sogar noch unser Schrank makellos aussehen?». Als wäre der Druck auf uns alle nicht schon gross genug! Lassen wir den Selbstoptimierungswahn, denen, die nichts Besseres zu tun haben, ok? Aber worum geht es dann?
Worum geht es denn überhaupt?
Wenn dein Zuhause "in Ordnung" ist und du nur noch besitzt, was du wirklich brauchst, gewinnst du so viel.
- Zeit für alles was dich erfüllt und dir wirklich wichtig ist.
- Geld, weil du bewusster konsumierst und weniger ausgibst.
- Zufriedenheit, weil Ordnung kein dauerndes Streitthema mehr ist.
- Klarheit, weil du wieder siehst, was du hast und was du willst.
- Ruhe weil du dich nicht mehr ständig nervst über den Krempel des Alltags .
- Gelassenheit, weil dich der Alltag nicht mehr so schnell überfordert.
Darum geht es bei einem Ordnungscoaching: um dich, um dein Wohlbefinden, darum, dass du das Leben führen kannst, dass du dir wünschst. Weil du es Wert bist.